Ickern
I/II
Östlich der Berechtsame Victor gab es 1870 noch große bergfreie, nicht verliehene Flächen. Man wusste aus Schürfbohrungen westlich und südlich von ihr, dass das Steinkohlengebirge unter Ickern bei einer Teufe von etwa 400 m liegen würde. Das war erheblich tiefer als in Rauxel (Zeche Victor I/II) Mengede (Zeche Adolf von Hansemann, 224 m Teufe) oder in Huckarde (Zeche Hansa, 140 m Teufe). In Ickern und Waltrop war wegen der großen Bohrteufe noch kein Schürfer aufgetreten. Das schreckte Ernst Waldthausen keineswegs ab. Kaum hatte er die Bohrarbeiten für Victor beendet, als er mit seiner Bohrkolonne weiter zog. Nach erbohren eines bauwürdigen Flözes mutete Ernst Waldthausen die Felder Moltke II, Moltke III und Moltke IV. Für die Durchführung der Bohrung hatte Ernst Waldthausen die Bohrgesellschaft "Gewerkschaft General Moltke" gegründet. Am 23. September 1874 wurden die drei Felder unter den Namen Ickern konsolidiert. Durch die inzwischen herrschende Wirtschaftskrise beschloss die gerade gegründete Gewerkschaft Ickern am 21.November 1874 die Arbeiten zum Teufen der Schächte einzustellen. Trotzdem nahm Ernst Waldthausen 1877 die Bohrtätigkeiten wieder auf. Bis zum 25 Juni 1877 mutete er die Felder General Moltke I, V, VI, VII, VIII und IX.
Am 12. Januar 1883 verstarb Ernst Waldthausen.
Nach Beschluss der Gewerkenversammlung vom 30. Mai 1883 sollten alle Ickerner-Felder vereinigt werden. Bevollmächtigter der Gewerkschaft Ickern war der Erbe Ernst Waldthausens, dessen Sohn Alfred Waldthausen. Mit der Bestätigung der Bergbehörde vom 1. Oktober 1885 waren die sieben Felder: Konsolidierte Ickern, General Moltke I, V, VI, VII, VIII und IX zum 18.858.023 m² großen Steinkohlenfeld Ickern vereinigt. Am 25. April 1908 beschloss die Gewerkenversammlung das Bergwerk Ickern endlich in Angriff zu nehmen, nachdem 1874 auf Grund der Wirtschaftskrise das Teufen eingestellt wurde. Wie auch das Bergwerk Victor kam auch das Bergwerk Ickern am 31. Oktober 1910 zum Lothringer Hütten- und Bergwerksverein Aumetz-Friede. Kurz vor der Übernahme der beiden Gewerkschaften Victor und Ickern begannen am 17. Juni 1910 die Teufarbeiten für den Schacht Ickern I.
Eine 1908 beantragte Werksbahnstrecke von Victor III/IV nach Ickern und eine Waschkaue waren inzwischen fertig gestellt worden.
Zum ersten Spatenstich treffen Gäste mit der Zechenbahn ein. Lokomotive Victor IV
Erster Spatenstich Schacht Ickern I. Juni 1910
Im Vordegrund ein Keilstück des Senkschachtes
Bis zum 28. Februar 1911 wurde der Schacht auf 72 m Teufe gebracht. Während des Schachtteufens hatte man von der Schachtanlage Victor III/IV her auf der 3. Sohle eine Richtstrecken in das Feld Ickern aufgefahren. Es bestand von nun an eine 4000 m lange Verbindung zwischen Victor I/II, Victor III/IV und Ickern I/II. Im Oktober 1911 war die 2. Sohle mit dem Schacht durchschlägig. Am 5. Dezember 1911 bohrte man vom Schachttiefsten die 3. Sohle (475 m) an. Am 30. Dezember wurden ein Förderkorb und das Unterseil eingehängt. Am 2. Januar 1912 ging Schacht Ickern I mit einer Förderung als Förder- und einziehender Wetterschacht in Betrieb. Die Teufarbeiten hatten nur 18 Monate gedauert.
Das Teufen von Schacht Ickern II erfolgte fast zeitgleich mit den Teufarbeiten im Schacht Ickern I. Am 2. Januar 1912 wurde bei 385 m das Steinkohlengebirge erreicht. Das weitere Teufen verlief ohne größere Probleme. Der Schacht ging 1913 als ausziehender Wetterschacht und 1914 auch als Förderschacht in Betrieb.
Gleichzeitig mit dem Teufen der Schächte wurde über Tage mit dem Bau der Tagesanlagen begonnen, darunter ein Büro und Verwaltungsgebäude, eine Kaue für 2500 Mann, einer Hängebank, Sieberei und einer Verladung. Die neue Schachtanlage war nach modernsten Gesichtspunkten ohne Schornsteine errichtet worden. Alle Maschinen wurden elektrisch angetrieben. Den Strom lieferte das Kraftwerk Victor III/IV. 1919 erwarb die Gewerkschaft Ickern eine Baufirma mit Ziegelei. Dieser Kauf war der Ursprung der Ziegel- und Beton-Werke ( Klöckner-Durilit). Am 14. November 1921 pachtete die Gewerkschaft Victor die Gewerkschaft Ickern an. Der Pachtvertrag galt bis zur Gründung der Klöckner-Werke AG, Anfang 1923.
Der Zechenbahnhof wurde bis 1912 auf 5600 m Gleislänge ausgebaut. Während des Ersten Weltkrieges wurde die Kohlenwäsche erweitert, jedoch die Kohlen aus wirtschaftlichen Gründen zur Aufbereitung nach Victor III/IV mit der Werksbahn gebracht. Die Wäsche von Ickern I/II kam erst 1919 in Betrieb. 1918 wurde eine neue Kaue fertig und der Zechenbahnhof um drei Gleise erweitert.
Ickern Schacht I. im Aufbau durch die Firma GHH
Erster Zecheneingang noch ohne Zechentor
Fördergerüst Ickern I.Hängebank,Verladung 1912
Schacht I. Kaue, Mannschaftsbrücke,Hängebank,
Fördermaschinengebäude, Wasserhochbehälter,
1912
Elektrische Fördermaschine Schacht I 1912
Maschinenhaus Ickern I/II. mit Rateau-Ventilato
und Kompressor 1912
Lesebänder 1912
Zecheneingang Ickern 1912
Rechts Schacht Ickern I, Mitte Schacht Ickern II noch mit Teufgerüst, links Wasserhochbehälter
Tagesanlage Ickern I/II 1918
Ilgner-Umformer wandelt den von Kraftwerk
Victor gelieferten 5000 V Drehstrom in
Gleichstrom um
Hängebank Schacht Ickern I. 1912
Profile und Grundrisse
Das Wohnungswesen
Ickern war um 1871 eine bäuerliche Gemeinde von 326 Einwohnern . Mit dem Bau der Zechen Ickern I/II und Victor III/IV Anfang des 20. Jahrhunderts explodierte die Gemeinde bis 1922 auf 14748 Einwohner. Bis 1913 hatte die Gewerkschaft Victor zur Versorgung der Bevölkerung von Rauxel bis Ickern fünf Verkaufsstellen der "Konsumanstalt der Zeche Victor " Kolonialwaren, fünf Fleischgeschäfte aus der eigenen Fleischerei und ein Manufakturwarengeschäft eingerichtet. In den Jahren 1907/1908 entstanden an der heutigen Heinestrasse und Ruprechtstrasse die ersten Bergarbeiterwohnungen für die Bergleute der Zeche Victor III/IV. 1910/1912 entstand die Kolonie " Ickern Ost " mit 679 Häusern, nahe der Zeche Ickern I/II. Bis 1919 wurden weitere 269 Wohnungen gebaut. In Ickern West und Mitte entstanden 1038 Wohnungen.
Verkaufsstelle am heutigen Postplatz 1912
Verkäuferinnen im Werkskonsum Rauxel
Verkaufsstelle Wessel -Ecke Borghagenerstrasse
Zechensiedlung Ickern-Ost. Am Horizont Zeche
König-Ludwig in Suderwich 1920
Die Weltwirtschaftskrise 1929 traf Deutschland fürchterlich. Im Ruhrbergbau betrug der Produktionsrückgang 40% und 26 Zechen wurden stillgelegt. 1931 wurde die gesamte Belegschaft gekündigt. Es blieb dann 1932 bei einer Entlassung von 1000 Bergleuten.
In den 1930er Jahren beschränkte man sich auf die notwendigsten Arbeiten. 1938 wurde ein neuer Sprengstoffraum am Schacht Ickern II auf der 4. Sohle fertig gestellt zusammen mit Werkstätten, Lokomotivräumen sowie eine Verbindung der Wasserhaltung der 4. und 3. Sohle und die Fertigstellung eines Gesenkes zur Auffahrung der 5.Sohle.
Sprengstoffraum Ickern I/II 4. Sohle 1932
Der Zweite Weltkrieg
Die Auswirkungen der Bombenangriffe der Alliierten auf die drei Klöckner-Zechen waren erheblich.
Am 11. September bombadierten die Alliierten Ickern und Habinghorst. Es fielen bei diesem Angriff 436 Tonnen Sprengbomben. 40 Wohnhäuser waren total zerstört, 180 Häuser schwer beschädigt, 372 Familien mit 968 Personen waren obdachlos. Es wurden 94 Tote beklagt darunter 43 Frauen, 21 Kinder unter 14 Jahren. Victor III/IV wurde von 150 Bomben schwer getroffen,
Der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg
Den ersten Bandzugförderer im Ruhrrevier setzte Ickern I/II 1953 ein. Er wurde von den Ickerner Kumpeln "Kurven - Friedrich" genannt. Die Weiterentwicklung dieses Förderers war der Magnet-Bandzugförderer.
Abwurf der Berge am Strebkopf
Bandzugweiche auf Ickern I/II 1953
Bei Kriegsende hatten die Schächte Ickern II und III die 4. Sohle und Ickern I die 5.Sohle erreicht. Der Kohlevorrat war zwischen der 4. und 5.Sohle stark geschmählert worden. Eine Tieferlegung der Hauptförderung zur 5. Sohle wurde erforderlich. Ausserdem war das Teufen vom Wetterschacht Ickern IV wegen klimatischen Verhältnissen notwendig geworden. Schacht Ickern I wurde tiefer geteuft und erreichte die 6. Sohle am 31. Dezember 1953 bei 862 m.
Wetterschacht Ickern IV
Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg war 1952 abgeschlossen. In den folgenden Jahren ging es vor allem um die Verbesserung von Leistung und Kosten durch Intensivierung der Elektrifizierung und Mechanisierung.
Neue Wäsche Ickern I/II 1956
Ickern I/II 1959
Im Jahr 1956 führte Ickern den CO-Filter-Selbstretter in Selbstdedienung ein. Am 29.July 1957 wurde auf Ickern I/II das Geleucht von der 5,5 Kg schweren Akkuhandlampe auf die 2,3 Kg leichte Akkukopflampe der CEAG Dortmund umgestellt.
Akkukopflampe 1956
CO-Filter-Selbstretter Selbstbedienung
Kaffeepulle vor der Anfahrt auffüllen
In den Streben mit geneigter und steiler Lagerung war Holzausbau unverzichtbar. Seit 1954 versuchte man daher den Strebausbau mit Metallstempeln bzw. Reibungsstempel einzuführen. Ab dem Jahr 1962 wurden diese vollständig gegen hydraulische Ferromatik-Stempel ausgetauscht.
1958 wurde versuchsweise die Vanwersch-Kappe eingeführt und anschliessend vorwiegend verwendet.
Streb mit Holzausbau Ickern I/II 1960
Becorit-Stempel Ickern I/II 1960
Hydraulische Ferromatik-Stempel und
Vanwersch-Kappen Ickern I/II 1963
Becorit Leichtmetall K-Baue für die steile Lagerung. Sie verhinderten das zerbrechen der Nadelholzstempel und damit das Auslaufen der Firste.
Victor-Ickern 1965
Verbundbergwerk Victor - Ickern
Das Bergwerk Victor-Ickern konnte der beginnenden Strukturkrise nur durch Senkung der Betriebskosten begegnen. Dies war der Zeitpunkt zur Zusammenfassung der getrennten Förderstandorte Victor III/IV und Ickern I/II. Auf Victor wurde mit dem Vortrieb der Richtstrecke nach Ickern begonnen und wurde im August 1959 durchschlägig. Unter diesen Voraussetzungen beschloss Klöckner Mitte 1959 die Schaffung einer Zentralschachtanlage. Ickern II wurde der Zentralschacht. Eine Grossbandanlage sollte die Kokerei, das Kraftwerk Victor III/IV und ab Mai 1969 das Kraftwerk Rauxel mit Kohlen beliefern. Die Schachtanlage Victor III/IV war für die Seilfahrt und Materialversorgung und Zentralwerstätten vorgesehen. Ab den 20.Mai 1963 ging die gesamte Förderung des Baufeldes Victor auf der 6. Sohle zum Zentralschacht Ickern I/II. Die endgültige Stilllegung der Wäsche war im Dezember 1963.
Die Gefässförderung von Schacht Ickern II wurde umgebaut, sie war die erste vollautomatische Schachtförderung des deutschen Steinkohlenbergbaus.
Seit April 1962 wurde auf Ickern I/II die Richtstrecke der 6. Sohle nach Osten aufgefahren. Nachdem der Schacht Ickern III die 6. Sohle erreicht hatte, fuhr man ihn von Osten entgegen. Am 27. Juli 1964 erfolgte der Durchschlag. Nach Herstellung der Querschläge 8. Ost Süden, 8. Ost Norden und 12. Ost Süden sowie des Esskohlenbunkers und des Gesenkes 5.12.2 und den zugehörigen Ladestellen wurde für Ickern die 6. Sohle zur Hauptfördersohle.
Zentralschacht Ickern II,Teufen zur 6.Sohle 1960
Vollautomatische Schachtförderanlage 1962
Einweihung der Zentralschachtförderung mit Kippen des 1. Wagens am 22.10.1962
Rollkippe Ickern I/II 1963
Zentralschachtanlage Ickern I/II 1962
2500 m lange Grossbandanlage 1962
Neues Fördermaschinengebäude Schacht 2
1965
Neue nördliche Fördermaschine des
Zentralschachtes
Im Zentralschacht gab es am 22. Januar 1967 ein Unglück. Bei Einstellarbeiten der Bremsanlage raste ein Gefäss mit voller Geschwindigkeit gegen einen Prallträger im Fördergerüst, so dass das Förderseil riss. Beide Gefässe, das Unterseil, das Oberseil und herausgeschlagene Einbauten stürzten in den Schachtsumpf. Mehr als 100 t Stahlschrott mussten beseitigt werden. Am 26. Januar wurde die Förderung wieder aufgenommen, am 4. Juni 1968 waren die aufwendigen Reparaturen beendet. Der Absturz beider Gefässe hätte fast die Stilllegung der Schachtanlage zur Folge gehabt.
Victor Ickern kaufte von der Firma Eickhoff in Bochum einen 170 KW- Walzenlader EW 170 L und setzte ihn ab September 1970 auf Ickern im Flöz Mathias I. zusammenmit dem ersten Schildausbau an der Ruhr ein. Der Walzenfahrer steuerte die Maschine aus einiger Entfernung mit Funk. Zum Räumen der Schrämgasse war ein Räumhobel vorgesehen, später ein COWL ( Schwenkbarer Räumschild ) eingesetzt worden. Der Walzenlader wurde auf einem verstärktem Einketten-Strebförderer an Ketten bzw. Triebstöcken gezogen.
Der nachfolgende Schildstreb auf Ickern erhielt erstmals im Ruhrbergbau einen 300 KW-Doppelwalzenlader EDW 300 L in Kombination mit einem Räumhobel.
Walzenlader mit ersten Schildstreb im Ruhrbergbau auf Ickern 1970
Stilllegung Victor - Ickern
Auf der Belegschaftsversammlung vom 16. September 1972 wurde die Belegschaft von Victor-Ickern über den Verbund von Ickern III mit Minister-Achenbach bei Stilllegung von Victor III/IV und des Tagesbetriebs Ickern I/II unterrichtet. Etwa 1000 Mitarbeiter sollten künftig auf Ickern III anfahren. Die erste Verlegung erfolgte am 1. Februar 1973 und betraf 190 Mitarbeiter von Victor III/IV. 115 gingen zur Zeche Gneisenau, 40 zu Minister-Stein und 35 zur Zeche Waltrop.
Kaue nach der Stilllegung
Zechentor nach der Stilllegung
Stilllegung Ickern I/II
Die Ickerner Reviere lieferten ihre Kohlen noch bis zum 28. September 1973 zum Schacht Ickern II. Nach der Verbundsentscheidung von Ende 1972 wurde Ickern III zum Verbundschacht Minister Achenbach. Ab Montag dem 1. Oktober 1973 wurden die Kohlen aus dem Feld Ickern III über den Verbundblindschacht der Gefäßförderung am Schacht Minister Achenbach II zugeführt.
Ein Rückblick auf die 98 jährige Förderung des Bergwerkes führt zu folgendem Ergebnis.
Die Schachtanlagen Victor und Ickern förderten an drei Förderstandorten von 1877 bis 1973 insgesamt 125,876 Millionen Tonnen verwertbare Kohlen zu Tage.
GLÜCK - AUF
Protegohaube Schacht Ickern I und Ickern II